Benedikt nennt das Bild, das er in seinem ersten Kapitel von Jesus entwirft, sehr bescheiden einen „ersten Blick“. Dieser erste Blick stellt Jesus aber sofort in einen sehr weiten Zusammenhang. Es beginnt mit Mose. "Einen Propheten wie mich" sagt Mose am Ende seines Lebens für eine noch unbestimmte Zukunft voraus, und Benedikt zeigt anhand dieser Erwartung zunächst einmal mit wenigen genialen Strichen auf, was einen wirklichen Propheten ausmacht.
Der Prophet soll den "Schleier vom Morgen" wegreißen und damit das erfüllen, was die Menschen zu allen Zeiten von ihrer Religion erwartet haben, nämlich Auskunft darüber zu erhalten, woher man kommt und wohin man geht. Das soll natürlich viel mehr sein als nur Wahrsagerei, und es muß deshalb schon ein "Freund Gottes" sein, der solche Blicke in die Zukunft tun kann.
Ein solcher Freund Gottes war Mose, aber er war es gleichzeitig in einem eingeschränkten Sinn, weil sein tiefster Wunsch, Gottes Gesicht zu sehen, unerfüllt blieb, wie es in 2. Mose 33 berichtet wird. Wenn Mose am Ende seines Lebens "einen Propheten wie mich" voraussieht, dann ist das laut Benedikt mehr als die Verheißung, daß es in Israel dauerhaft die Institution der Prophetie geben wird. Es ist die Verheißung, daß ein neuer Mose als der "Mittler eines höheren Bundes“ erscheinen werde.
Diese Verheißung wird in Jesus erfüllt. Er ist der zweite Mose, und er ist mehr als Mose. Am Anfang des Johannesevangeliums wird an die Grenzen erinnert, die für Mose galten: "niemand hat Gott je gesehen". Diese Grenzen überschreitet Jesus. Er sieht nicht nur Gott, er darf uns allen das Gesicht Gottes zeigen: "wer mich sieht, sieht den Vater".
Das also ist kurz zusammengefaßt der bescheidene "erste Blick" des Buches. Es ist der Blick eines Sehenden, dem sich über die lebenslange Beschäftigung ein großes, in sich stimmiges Bild aufgetan hat.
P.S. Das Buch enthält, wie alles, was der Professor Ratzinger schreibt, viel hohe Theologie. Manchmal fragt man sich, ob die Millionen Leser, die dem Buch zu Stückzahlen wie "Harry Potter" verholfen haben, nicht mit dem Lesen aufhören, wenn etwa Adolf von Harnacks "berühmte Feststellung" zitiert wird, "die Botschaft Jesu sei Botschaft vom Vater, in die der Sohn nicht hineingehöre, und die Christologie sei demgemäß der Botschaft Jesu nicht zugehörig." Man möchte die Christenheit auffordern, anhaltend dafür zu beten, daß die Millionen Leser an solchen Stellen nicht das Buch aus der Hand legen, sondern weiterlesen, damit das erreicht wird, was Benedikt im letzten Satz seines Vorwortes sagt, daß eine "lebendige Beziehung " zu Jesus wachsen kann.
Donnerstag, 26. April 2007
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