Samstag, 12. Mai 2007

Die Tür zu den Schafen (Kapitel 8.3)

Manchmal lese ich meiner Frau spontan eine Passage aus dem Buch vor, wenn mich etwa - wie heute - die Deutung, die Benedikt einem bestimmten Bibelwort gibt, überrascht und überzeugt hat. Ich las in dem Abschnitt "Die großen Bilder des Johannes-Evangeliums - Der Hirte" die Erklärung, warum Jesus seine Rede vom Guten Hirten rätselhafterweise damit beginnt, sich selbst als "die Tür zu den Schafen" zu bezeichnen (Johannes 10,7, im Buch dazu: Seite 321). Benedikt erläutert dieses Wort auf eine für mich neue, aber sofort überzeugende Weise.

Er sagt: Jesus hat zuvor (Johannes 10,1) vor den falschen Hirten gewarnt, die nicht durch die Tür in den Stall der Schafe gehen, sondern anderswo einsteigen. Dies ist, so Benedikt, auf spätere Hirten hin zu deuten, die in der Zeit nach Jesus die Herde der Schafe möglicherweise auch in Zeiten schlecht weiden werden.

Die guten Hirten dagegen sollen sich später daran erweisen, daß sie "durch Jesus hindurch" als der Tür zu den Schafen gegangen sind. Am besten tun sie das wie ihr Vorbild Petrus, der in Bezug auf die Liebe zu Jesus der bekannten Prüfung von Johannes 21 unterzogen wird. Dreimal muß er die Frage beantworten "Hast du mich lieb?", damit seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt werden, die Weisung auszuführen "Weide meine Schafe!"

Auch seine Nachfolger, und Benedikt meint damit sicherlich nicht nur die Päpste, müssen sich immer wieder fragen lassen, ob sie ihr Hirtenamt so ausrichten, daß ihre Stimme die Stimme Jesu wird. Für einen guten Hirten wird gelten: "weil er in der Liebe mit Jesus geeint kommt, darum hören die Schafe auf seine Stimme, die Stimme Jesu selbst" (Seite 322).

Beim Nachlesen von Johannes 10 merke ich später, daß sich einige Verse in diesem Kapitel der Deutung von Benedikt ein wenig widersetzen. Und trotzdem bleibt der Eindruck, daß Benedikt zielsicher auf den Kern der Rede zugeht und sie für mich überzeugend erklärt, indem er den Bogen zu anderen Stellen der Bibel schlägt.

Er erklärt die Bibel so, wie es auch meine theologisch vielfach ungebildeten pietistischen Vorfahren gerne getan haben. Sie lehrten schlicht: die Bibel erklärt sich durch die Bibel.