Im zweiten Teil seiner Betrachtungen zur Bergpredigt geht Benedikt ausführlich auf das 1993 erschienene Buch "A Rabbi Talks With Jesus", des amerikanischen Rabbiners Jacob Neusner ein. Neusner hat seine Fragen an die Lehren der Bergpredigt in einer Form gestellt, die einerseits sehr radikal ist (und am Ende den Anspruch Jesu ablehnt), auf der anderen Seite aber eine große und einsichtsvolle Nähe zu Jesus offenbart.
Benedikt schildert ausführlich die Kritik Neusners an der Auflösung sowohl des Sabbats als auch der familiären Bande, die Jesus offenkundig zusammen mit seinen Jüngern betreibt. Er ist sich am Ende mit Neusner einig, daß Jesus eine Autorität beansprucht, die ihn auf gleiche Höhe mit Gott stellt. Beide stehen sie schließlich vor der offenen Frage, ob Jesus diese Autorität wirklich besitzt. Neusner verneint die Frage, Benedikt bejaht sie.
Gemeinsam ist beiden die Überzeugung, daß die Menschen, die dem irdischen, dem "historischen" Jesus begegnet sind, mit derselben Frage nach Jesu göttlicher Autorität konfrontiert worden sind. Damit wird der alten, die liberalen Anschauung widersprochen, daß Jesus ein wandernder Rabbi unter vielen anderen gewesen ist, der erst nach seinem Tod durch die Interpretationen seiner Nachfolger die Bedeutung erlangen konnte, die er heute hat. Nein, Jesus muß von Anfang an radikalen Widerspruch herausgefordert haben - oder aber die mit Erschrecken gepaarte Erkenntnis, daß hier jemand tatsächlich mit einer höheren, einer göttlichen Autorität spricht.
Im Zusammenhang mit den Gesetzen der alten Tora und der neuen, die Jesus in seiner Person verkörpert, gibt Benedikt eine Reihe von sehr erhellenden Erklärungen zum Verständnis alter und neuer Gesetze und zum Unterschied zwischen zeitlich bedingten ("kasuistischen") und ewig gültigen ("apodiktischen") Gesetzen. Er zeigt am Ende einen Weg auf, wie eine im Glauben an die Göttlichkeit Jesu befreite universale Christenheit in die Lage versetzt wird, ihre Gesetze selbst zu schreiben.
Sie wird es tun in der Achtung vor den alten Prinzipien der Israel gegebenen Tora, die man mit den Worten Benedikts zwar nicht "übertreten" darf, wohl aber "überschreiten" kann.
Mittwoch, 2. Mai 2007
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