Montag, 7. Mai 2007

Hören und doch nicht verstehen? (Kapitel 7)

Im evangelischen Religionsunterricht meiner Schule wurde uns das rätselhafte Jesuswort von der Wirkungslosigkeit seiner Gleichnisreden im Rahmen einer Art von "Verdunklungstheorie" erklärt. Jesus beginnt erklärt in dem Bericht von Markus den Jüngen beim ersten Gleichnis, nur sie allein seien in der Lage, seine Gleichnisse zu verstehen, die anderen Zuhörer nicht.

In Markus 4 heißt es, und Benedikt zitiert hier den evangelischem Theologen Joachim Jeremias mit dessen Übersetzung: "Euch [das heißt dem Jüngerkreis] hat Gott das Geheimnis der Gottesherrschaft geschenkt, denen aber, die draußen sind, ist alles rätselvoll, auf dass sie - wie geschrieben steht - 'sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen, es sei denn, dass sie umkehren und Gott ihnen vergebe.'" (Seite 128)

Wenn dies tatsächliche eine Verdunklungstheorie ist, so paßt sie recht gut in das bereits erwähnte Bild eines Wanderpredigers, der in seinem Leben keine besondere Wirkung erzielt hat und erst durch die Predigt seiner späteren Nachfolger einer schließlich weltweiten Zuhörerschaft bekannt wird.

Benedikt geht gleich zu Beginn seines Kapitels über die Gleichnisse auf die Frage dieser rätselhaften Verdunklung ein. Er erinnert daran, daß Jesus an dieser Stelle aus der Berufungsgeschichte des Propheten Jesaja zitiert, und verweist zunächst auf das gemeinsame "Prophetenschicksal" von Jesaja und Jesus. Viele Propheten im alten Israel mußten es erleben, daß sie nicht verstanden wurden. Für viele bedeutete das Schmähung, Verfolgung und manchmal auch den Tod.

In dieser Tradition steht auch Jesus, aber am Ende ist es bei ihm doch wieder ganz anders. Er hat eine Sendung, die weit über das Predigen prophetischer Erkenntnisse hinausgeht. Er wird mit dem Ende seines Lebens offenbaren, warum er auf dieser Welt gewesen ist, nämlich um durch sein Sterben der Welt Heil zu bringen. In seinen Gleichnissen kommt immer wieder das Bild vom Samenkorn vor, welches für das Reich Gottes steht. Für Benedikt ist Jesus selbst das Reich Gottes, und so wird klar, weshalb es kurz vor der Passion heißt, daß das Weizenkorn - Jesus - in die Erde fallen und sterben muß, um am Ende viel Frucht zu bringen. Benedikt sagt: "Aus dem Kreuz kommt die große Fruchtbarkeit." (Seite 229)

Benedikt löst alles Dunkel um in die rätselhafte Stelle aus Markus 4 auf, indem er sie in den größeren Zusammenhang früherer Prophezeiungen und der späteren Ereignisse um Tod und Auferstehung Jesu stellt. Erneut ist es eine helle Vernunft, die aus seiner Art der Deutung heraus scheint. Sie wirkt heller als vieles, was eine der Aufklärung verpflichtete Betrachtung der Bibel an den Tag gebracht hat.