Der Reichtum des Buches besteht in seinen Verknüpfungen und Rückbezügen auf eine große Anzahl von biblischen Bildern und Berichten, die sich außerhalb der vier Evangelien befinden. Man gewöhnt sich beim Lesen daran, in schneller Folge durch weite Gebiete der Bibel geführt zu werden und merkt besonders beim gelegentlichen Nachschlagen von Belegstellen, wie sehr Benedikt in der Bibel lebt, sie durchdacht und persönlich erfahren hat.
Trotzdem überrascht es, wenn er im letzten Kapitel eines der Worte, das Jesus über sich selbst sagt, so deutet, daß es als direkte Wiederholung des geheimnisvollen Wortes wirkt, welches Mose in der Wüste aus dem brennenden Dornbusch hört. Auf die Frage des Mose, wer es ist, der da aus dem Dornbusch mit ihm redet, bekommt er die Antwort, sein Gegenüber sei der "IchBinDerIchBin" (echjeh-ascher-echjeh, 2. Mose 3,13).
Dieselben Worte wiederholt Jesus, sagt Benedikt, wenn er in Johannes 8,24 seine Zuhörer lehrt "wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin, werdet ihr sterben in euren Sünden". Benedikt deutet dies und eine Reihe von weiteren Ich-bin-es-Worten so, daß Jesus in bewußter Anlehnung an die aus dem brennenden Dornbusch gesprochenen Offenbarungsworte über seine Göttlichkeit spricht.
Der Beweis dafür, daß zumindest die Jünger die Konsequenzen dessen verstehen, was ihnen da gesagt wird, ist der "Gottesschrecken" (Seite 404), der sie überfält, wenn sie Jesu Worte hören. Jeder Mensch hat vermutlich ein intuitives Gefühl dafür, was die Nähe des lebendigen Gottes bedeutet, und reagiert mit heiligem Entsetzen.
Wer erwartet, daß Benedikt am Ende des Buches eine kurze Anleitung "Wie werde ich Christ" einfügt, oder eine Internet-Adresse nennt, über die man den nächsten Priester erreicht, wird enttäuscht. Das Buch endet recht nüchtern und ohne moralisch-sittliche Apelle und wohl auch eher so, daß der geplante zweite Band gleich anschließen kann.
Und trotzdem - der Leser, der Benedikt bis hierhin gefolgt ist und der seinen Schlußfolgerungen (Jesus ist Gott und ist mit einem deutlichen göttlichen Anspruch in dieser Welt aufgetreten) gegenüber offen ist, wird es möglicherweise ebenso erleben, daß auch er in die Nähe der Erkenntnis gelangt, welche die Jünger wie eine fremde Gewalt überfällt.
Und so möchte Benedikt am Ende möglicherweise auch nur diese eine Reaktion im Herzen des Lesers erzeugen, die auch die Reaktion der Jünger war: ein heilsamer Gottesschrecken.
Mittwoch, 16. Mai 2007
Abonnieren
Posts (Atom)